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Manche spüren klar und deutlich, wenn sie loslassen.
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Loslassen

****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
Loslassen
Die Dinge loszulassen bedeutet nicht,
sie loszuwerden.
Sie loslassen bedeutet,
dass man sie sein lässt.
Jack Kornfield

Vor einiger Zeit fragte ich jemanden, warum wir den Reflex haben, sofort zuzugreifen und aufzufangen, wenn uns ein Ding einmal aus der Hand fällt. Seine Antwort war schlicht: "Wir haben früher auf Bäumen gelebt. Wenn es 'runterfiel, war es weg."
Also trachten wir in erster Linie danach, etwas zu behalten. Wir möchten Kontrolle.
Der Akt des Loslassens muss ein darum bewusster sein, wenn wir ihn nicht bedauern wollen.


Etwas einfach sein zu lassen heisst, es frei zu lassen. Es kann auch ein Akt der eigenen Befreiung sein.
Mich interessieren Eure Geschichten vom Loslassen oder Nicht-loslassen-können.
Wer mag erzählen?

An alle: Jede Geschichte ist gut. Wir können lernen. Last sie einfach sein.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Das wundervolle Wort von Frank Zappa „The mind is like a parachute. It doesn’t work unless it’s open.“ lässt sich leider nicht ins Deutsche übersetzen, weil >mind< weder >Seele< noch >Verstand< bedeutet, sondern beides. Es bedeutet darüber hinaus noch >Meinung<, >Absicht<, >Sinn<, >Gemüt<, >Denkweise<, >Phantasie<, >Gedächtnis< und sogar >Lust<. Welche Übersetzung man auch wählte; jede einzelne wäre nur sinnvoll vor dem Hintergrund des Freiheitsgedankens, sogar die Übersetzung >Absicht<.

Ich setze hier >Freiheit< mit >Offenheit< gleich, denn beides liegt diesem Gleichnis von Seele (oder Verstand) und Fallschirm zugrunde. >Freiheit< bedeutet niemals >freier Fall<, und >Offenheit< ist niemals bedingungslos. Vielmehr gedeiht Freiheit auf dem Boden der Sicherheit, und Offenheit wurzelt immer in sicherem Boden.

Wenn ich meinen Hund an die Leine lege, weiß er, daß er sicher sein kann, daß ich ihn loslasse, sobald wir die Felder erreicht haben. Wenn ich meinen Kater zu mir hebe, weiß er, daß ich ihn sogleich wieder loslasse, wenn er das will.

In diesem Sinne ist Sicherheit alles, was ich brauche, um frei zu sein. Wenn ich Kinder in die Welt setze, dann darf ich es nur, wenn ich ihnen fraglose Sicherheit bieten kann. Ich muss also selbst sicher sein, und das möglichst fraglos.

Diese Sicherheit ist der Boden, auf dem das Spiel möglich ist. Ich kann nur dann spielen, wenn ich mir absolut (!) sicher bin. Als Kind im Sandkasten kann ich mich verlieren, weil ich sicher bin, daß Papa und Mama da sind. Als Erwachsener kann ich mich nur dann verlieren, wenn ich absolut sicher bin, nicht verloren zu gehen.

In diesem Sinne ist Loslassen und losgelassen werden nur dann sinnvoll, wenn ich absolut sicher sein kann, wieder heimkommen oder eben wieder begrüßen zu können. Der Hund kommt freudig zu mir und lässt sich erwartungsvoll an die Leine legen, während der Kater sich freudig in meine Arme begibt, weil beide wissen, daß ihnen nichts geschieht.

Ich habe diesen Beitrag mit Zappa begonnen, und jeder weiß, daß er ein Musiker war. Musik wird gespielt, und damit haben wir genau das, wovon ich hier spreche: das Spiel. Glücklich ist, wer frei spielen kann.
Nebel auf den Feldern
Danke
für das Thema!

"Erst wenn ich meine Hand öffne, kann ich etwas loslassen, und erst wenn ich losgelassen habe, ist meine Hand offen und wieder frei, um evtl. Neues aufzunehmen."

Diesen Satz habe ich so - oder ähnlich - irgendwo gelesen, das Bild mit der offenen, leeren Hand, vergleichbar mit offenem Geist, hilft mir immer wieder, wenn es im Leben um Loslassen geht. Je weniger ich FESThalte, desto offener, empfänglicher bin ich für Neues. Oder umso freier ist meine Hand.

Bei meinem letzten Umzug vor einem Jahr habe ich ganz bewusst und bedächtig sehr vieles aus meinem "alten" Leben losgelassen. Mich von Dingen / Möbeln / Gegenständen bewusst getrennt, um Raum zu haben. Nicht für Neues, sondern Raum für mich. Dasselbe gilt zuweilen auch für Menschen: Personen, die mich einengen oder mich beschränken, mich nicht entfalten lassen, zuviel Raum oder Zeit beanspruchen und / oder mir sonst nicht gut tun, die lasse ich los...

Dieser Loslass-Prozess ist noch im Gang... Ich merke, je weniger ich um mich herum habe, desto freier bin ich in meinen Bewegungen. Körperlich und geistig.

Mein Ziel: sehr viel und sehr leeren Raum um mich. Darf ruhig Richtung asketisch gehen *g* Je mehr ich loslasse, desto unabhängiger werde ich. Das ist wirklich Freiheit.

Ich bin da noch lange nicht angekommen. Aber die Richtung stimmt.

Lg Cara *blume*
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Mir geht es wie AnamCara. Es sind zwar nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben, und je weniger wir uns mit Dingen umgeben, desto freier sind wir. Eine Wohnung ist kein Ensemble von Dingen, sondern ein freier Raum. Sie ist ein Raum, der mir und jenen, die ich zu mir einlade, lauter Freiräume bietet.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Wir, meine Frau und ich, empfingen eine Freundin, und es war des erste Mal, daß sie unser Haus betrat. Später sagte sie, daß die Tatsache, daß sie in der Lage war, ihre Müdigkeit zuzulassen, die sie aufgrund der anstrengenden Anreise ereilt hatte, ein Zeichen des Loslassenkönnens war. Sie fühlte sich fraglos aufgehoben und konnte die anstrengende Erwartung einfach abstreifen, mit der man rechnen zu müssen meint, wenn man das erste Mal in einen privaten Raum tritt.

Loslassen können ist immer ein Erlaubnis, und mein persönliches Glück besteht im Erlebnis, daß jemand diese Erlaubnis annehmen mag.
Loslassen kann ich nur, was ich versuch(t)e zu halten...
Das größte Potenzial liegt im jederzeitigem/gegenwärtigem Zulassen. Mich selbst und die Begegnung, mit ihrem Potenzial, zuzulassen. Sie benötigt weder ein ergreifen, noch ein loslassen.
Ein gelungenes Leben kennzeichnet, das ich mir des Momentes immer voll und ganz bewusst bin und die Dinge so nehmen kann, wie sie kommen. Dieses Kommen wird, im Moment der Begegnung, mit meinem Sein bereichert. Was sich daraus für eine Anziehung oder Abstoßung entwickelt bestimmt, was meine weitere Gegenwart ausmacht. Ich kann den Fluß meines Lebens nicht dadurch fließen lassen, das ich versuche ihn festzuhalten.
Viele versuchen es. Gelungen ist es noch keinem. "Festhalten" kann ich nur die Gegenwart. Meine Gegenwart und die darin möglich Bewusstheit. In diesem Fluss ist die Freiheit zu finden, die mein Los im Sein (zu)lassen kann...
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Ein gelungenes Leben kennzeichnet, das ich mir des Momentes immer voll und ganz bewusst bin und die Dinge so nehmen kann, wie sie kommen. (Maxotaurus)

Ich bin eben vom glatten Gegenteil überzeugt. Sich voll und ganz eines Momentes bewusst zu sein, bedeutete, im freien Fall dem Wahnsinn anheimzufallen. Wir können nur das wahrnehmen, was auf unserem persönlichen Hintergrund der zahllosen Erfahrungen überhaupt möglich ist. Wir sind angewiesen auf die mehr oder weniger begrenzten Spielräume, die uns recht eigentlich ausmachen. Vor dem Hintergrund meiner begrenzten Wahrnehmung kann ich mich glücklich schätzen, wenn ich zu der Überzeugung gelange, daß jeder Vorstellung einer solchen vollen und ganzen Bewusstheit das Lebenslicht ausgeblasen werden sollte, nein: muss! um überhaupt eine Chance zu haben, mich selbst als begrenztes Wesen zu begreifen und unter diesen begrenzten Bedingungen glücklich zu werden.

Darüber hinaus bin ich überzeugt, daß man niemals in der Lage sein wird, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Wir werden sie immer nur so nehmen können, wie sie uns erscheinen. Dieses Erscheinen gestalten wir selbst, und solange wir nicht erkennen, daß wir es tun, wird es uns nie gelingen, uns selbst als Gestalter und somit als prinzipiell scheitern könnender Mensch zu sehen, dessen Glück eben nicht davon abhängt, die Dinge so nehmen zu können, wie sie kommen, sondern davon, die Art, wie wir sie nehmen, ihrer Wirklichkeit so weit wie möglicht anzupassen.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@ Maxotaurus
Das größte Potenzial liegt im jederzeitigem/gegenwärtigem Zulassen. Mich selbst und die Begegnung, mit ihrem Potenzial, zuzulassen. Sie benötigt weder ein ergreifen, noch ein loslassen.

Das ist für mich der Kern. Indem wir ergreifen oder los lassen wollen, erliegen wir unseren eigenen projektionen der wirklichkeit. wenn ich mir versuche klar zu machen, was ich eigentlich fest halten möchte, lande ich immer wieder bei mir. ebenso ist es paradoxer weise mit dem loslassen: ich muss erkennen, wer und wie ich in der betreffenden situation bin, und dann kann ich entscheiden, ob ich es so noch brauche.
daher liegt im loslassen ein enormes potenzial zur veränderung. alles andere bewegt sich an der peripherie meines daseins, und existiert nach seinen eigenen regeln.
und ich brauche nur das, was noch wichtig für meine art ist, mich zu entwickeln und wie ich damit der welt begegne. es ist wie mit einem essen, das ich zu mir genommen habe: ist der teller leer, brauche ich ihn nicht mehr und auch nicht den löffel.

insofern stimme ich überein mit
@***nt
Ich bin eben vom glatten Gegenteil überzeugt. Sich voll und ganz eines Momentes bewusst zu sein, bedeutete, im freien Fall dem Wahnsinn anheimzufallen. Wir können nur das wahrnehmen, was auf unserem persönlichen Hintergrund der zahllosen Erfahrungen überhaupt möglich ist. Wir sind angewiesen auf die mehr oder weniger begrenzten Spielräume, die uns recht eigentlich ausmachen.

Loslassen kann ich nur das, was nicht mehr meine existenz umschreiben soll. alles andere ist nötig, um mich zu festigen, mich zu halten, mich in der illusion meiner unverwechselbaren identität zu stärken. würden alle filter fallen, derer unser geist fähig ist, könnten wir uns in der welt nicht mehr orientieren und schon gar nicht sagen, wo die grenze zwischen mir (drinnen) und dem (draussen) ist. eine horrorvorstellung, so durchlässig zu sein.
philosophisch besehen natürlich genau das, wonach wir eigentlich streben: schritte zur letztendlich gültigen wahrheit zu tun. aber in der konsequenz kaum auszuhalten.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Das stärkste Loslassen-Müssen erfahren wir im Angesicht des (eigenen) Todes. Vorausgesetzt, wir halten Emotionen in ihrer Intensität überhaupt für vergleichbar.

Ich habe meine Zweifel, dass die übrigen Erfahrungen beim Verzicht auf Konsumgüter oder der Trennung von Partnern auf die mit dem eigenen Tod verbundenen Verlust-Ängste übertragbar sind. Das wäre einen eigenen thread wert.

An zweiter Stelle steht für mich das Loslassen der eigenen Kinder.

Schon im Normalfall, wenn sie einfach nur flügge werden, bereitet das den Eltern gewisse Probleme. Nicht selten treten dann diverse, bisher aus Zeitmangel beiseite geschobene Differenzen so sehr in den Mittelpunkt, dass die Partnerschaft daran zerbricht.

Im Extremfall stirbt Dein Kind vor Dir. Je jünger, desto stärker der Schmerz. Wiederum vorausgesetzt, das sei überhaupt vergleichbar.

Ein Zwischending stellen Trennungsszenarien dar, in denen der Umgang strittig ist. Je skrupelloser ein Elternteil dann willens ist, die mit der Umgangsregelung verbundenen Konflikte und Machtspielchen notfalls auch vor dem Kind auszutragen, desto besser die taktischen Voraussetzungen. Hier gilt es dann, die Liebe zum eigenen Kind, die sonst natürliche Sorge um sein Wohl, loszulassen und beiseite zu packen.

Es bleiben dann zwei Möglichkeiten: Entweder Du bist bereit, das alltägliche Gezerre und Gezanke um den Umgang bei jeder Begegnung, jederzeit, und an jedem öffentlichen Ort (Kindergartenpforte, Supermarktkasse, Elternabend, Badeanstalt-Kiosk, Gottesdienst) aufzunehmen, und dem Kind notfalls in beiderseitigem Einvernehmen den Oberarm auszukugeln. Aufgrund der üblichen Klischees und der besonderen Beweislage beim Gewaltschutzprogramm und bei der Kinderpornografie haben hier die Mütter einen klaren strategischen Vorteil.

Solange also ein Elternteil auf der partnerschaftlichen Beziehungsebene noch nicht wirklich losgelassen hat, sondern es immer noch nötig hat, das Kind für solche Umgangs-Konflikt-Szenarien zu instrumentalisieren, um seinen Hass loszuwerden, bleibt dem anderen Elternteil nur die Möglichkeit, nach dem Partner dann auch das Kind emotional loszulassen und auf den Umgang weitgehend zu verzichten. Problemtisch an der moralischen Bewertung dabei ist, das Außenstehende fast nie bereit sind, zu differenzieren, wer damit angefangen hat, das Kind in dieses Scheiß-Machtspielchen mit reinzuziehen. Angeblich gehören ja immer zwei dazu.

Dies zu erkennen und dann auch umzusetzen, sind aber zweierlei Dinge:

Bisweilen fällt Dein Blick auf die noch vorhandenen, verstaubenden Spielsachen oder Du hörst beim Einschlafen aus der Tiefe Deiner Seele noch einmal die Stimme. Das zerreißt Dir das Herz.

Aber wat mut dat mut.
*******ata Frau
27.697 Beiträge
Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...


Rainer Maria Rilke, 22.2.1898, Berlin-Wilmersdorf




Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse




diese gedichte begleiten mich schon sehr lange
und sind mir leitfaden, inspiration und trost,
wenn ich mich schwer tue mit dem losgelöst sein
oder dem loslassen...
Danke, Cioccolata.
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:

Das Gedicht hing, auf Transparentpapier ausgedruckt, eine Zeitlang an einem meiner Spiegel.

Seit der Eröffnung überlege ich, wovon ich berichten wollte, das von meinem Loslassen handelt. Einiges würde ich hier nicht erzählen, vieles aber, was thematisch passte, entpuppte sich für mich, beim Nachdenken, als kein echtes Loslassen.
Weil: bissl schwer muss es fallen, oder?
Also mit etwas Ringen und Hadern verbunden sein, weil es ja Gebundenheit ist, die man loslässt. Um zu entdecken, dass man selbst der Knoten darin war.
Wenn es einem beiläufig, sozusagen, aus der Hand fällt, ist es kein Loslassen im aktiven Sinne. Ich, zum Beispiel, bin einfach zu schusselig, um nachtragend zu sein.


Am "seriösesten" - sehr nette Kategorie, übrigens - erscheint mir mein Loslassen von meinen eigenen Ansprüchen. Die ich ja immer den Bedürfnissen entgegenstelle. Ansprüche sind Sprüche an etwas, können also verändert werden. Am leichtesten, wenn man sie verbalisiert.
Ansprüche bleiben entwicklungshalber auch auf der Strecke, es geht um die, die konstant sind, gar nagend, gar zwanghaft. Fest eingestanzte, laute Sätze, die man seinerzeit vielleicht auch laut, majuskuliert oder mit betontem Habitus übergestülpt bekam, als well dressed-must have, und die man nun beharrlich, mit naserümpfendem Schleppenschwung, meint, noch alle Tage anziehen zu müssen.
Sowas wie Bettsocken oder Bettkravatten.

Ich habe schon einiges losgelassen. Man wird schon nicht nackig herumlaufen müssen.

Einiges, was in den klangvollen Bereich "Stolz" fällt, der sich im Loslassen plötzlich in ein Anderes verwandelte. In Anmut, zum Beispiel. Anmut ist Demut, die nicht schreit.

Einiges, was der Einhornsphäre zugehört, mit der wir alle zugetextet wurden, das gegenderte "ziemt sich nicht für eine Lady/ einen Gentleman" - wir sind eine Generation, die noch mit so etwas aufwuchs.
Einer Lady stehen auch ein Colt, oder schlammige Gummistiefel. Ansprüche an eine demonstrative Stilbekundung / Individualitätsversicherung also.

Es kann sich um weit Gewichtigeres handeln.
Man lässt den Satz fallen,
und hat eine Hand frei.
Die natürlich in den nächsten Stulpen, oder gants noirs steckt.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
..
Anmut ist Demut, die nicht schreit.

Whow. Wahnsinnsformulierung mal wieder.

Wirkt das bei Männern eigentlich grundsätzlich etwas schwuchtelig, so wie diese leggins in den französischen Mantel- und Degenfilmen?

Mir stach das Wort

Lebensstufe

ganz besonders in Auge.

Wir reden in den Foren eh schon genug aneinander vorbei und vieles davon hängt mit den unterschiedlichen Lebensaltern bzw Reifestufen zusammen. Wobei diese Gruppe da ja noch leidlich homogen ist.

Wer beim Thema Loslassen aktuell mit schwerer Krankheit oder Tod eines nahen Angehörigen konfrontiert ist, dem muss es seltsam vorkommen, wenn andere dabei über Beziehungsproblemchen oder gar den Rost an ihrem Segelboot räsonnieren.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Danke
Jincandenza.
schon gar nicht sagen, wo die grenze zwischen mir (drinnen) und dem (draussen) ist. eine horrorvorstellung, so durchlässig zu sein.

Naja, je nachdem, wo man sich befindet.
Ist man im Wald, schon lange genug (Stunden mindestens, Tage und Wochen wären "besser"), oder an einem anderen Ort, an dem die Natur allein einen umgibt, also fern der Gesellschaft, oder auf dem Sitzkissen beim Sesshin, wird die Vorstellung zum köstlichen Loslassensempfinden. Sofern intendiert, gesucht, stimuliert und aufrechterhalten.
Ich habe im Wald schon Leute gesehen, die trabben in Horden über die Wege einher, und brüllen ihre Kinder oder Hunde herbei, ohne mit der Wimper zu zucken. Denen gehört wohl der Wald, mitsamt seiner beiläufig erhaschten Szenerie, den wohl nicht mitbedachten Tieren, deren einzig Reservat sie stören, vom Käfer bis zum Reh - alles ihres! Manchmal macht mich das sehr wütend.
Häufig schon hatte ich also folgende Erlebnisfolge: langes Spazieren durch den Wald. So leise, wie es nur geht; man wird ja auch hellhöriger, jedes Astknacken wird zum Gewehrschuss nach einiger Zeit, hellsichtiger, man bemerkt Umrisse, die sonst übersehen würden. Je länger man dort ist, desto mehr darf man sich auflösen, den Wald stört das nicht. Man darf sich unter einen Baum stellen und imaginieren, dass der Baum einen einatmet, einsaugt, und in sein beringtes Inneres inkorporiert, wie Daphne. Dass man danach selbst Baum ist - oder Moosgrün, oder Reh, gar Wildschwein. Ich mache solche Übungen aus spontanem Wünschen heraus, und sie führen zu einer überköstlichen mentalen Ruhe. Gänzlich drogenfrei, im übrigen.
Und dann wandle ich also dort umher, zunehmend high, mit wachsender Umsicht für jede Fußspur, die ich hinterlasse, mit einem Sinn fürs Warten - da nur Stillhalten die Tiere "anlockt" -, der sich immer friedlicher anfühlt, und denke dann, ich bin jetzt so frei, wie selten möglich. Ich benötige nicht mehr meinen individuellen Umriss, könnte überall und alles sein, auch ein Stein - es wird alles zu Einem.

Aber dann muss man ja doch wieder nach Hause, das Loslassen geht nur soweit, wie man nicht über Nacht im Wald einfröre.
Und dann tauchen die Menschen auf. Ihr Geschrei, ihr blindes Herumrennen am Waldrand, an den ersten Siedlungshäuser, das Gezanke eines Paares um den Wagenschlüssel, das biestig dreinblickende Kopftuchmuttchen, zwei Gören, die mir spöttisch etwas nachrufen ... und jedes Mal bin ich entsetzt, wie schnell mich die Welt wieder hat. Wie schnell sich das Puzzle dieser Gesellschaft um mich herum konstituiert, wie Eisenspäne über einem Magnet.


In diesem Fall bedarf es des Festhaltens des Lolassens. Ich muss jedes Mal, wenn ich diese Entgrenztheit herbeiführe und beobachte, versuchen sie zu konservieren, wie ein Elixier. Um davon trinken zu können, wenn mich wieder das Weltfieber packt. Das Ich, jenes aus Wertungen - denn nur die Wertungen machen zu schaffen - soll sich mit dem loslassenden Ich verbinden, zumal ja ein Teil der Walderfahrungen doch in einem fortlebt.
Und dann kann es passieren, dass ich einmal nach so einem Spaziergang den Menschen begegne, so, mit glatter Stirn, leichten Fußes und entrückt-selig, und n i c h t denke: ihr Knallköppe, ihr macht noch alles kaputt! -
sondern einfach hinsehe, hinhöre und akzeptiere, dass auch diese Wesen ihre Rechte haben, auch das Recht, ihr Lautsein zu zelebrieren, nur bei sich zu sein, ihre Wertung zu manifestieren.

Stufen des Loslassens.
**yx Mann
1.256 Beiträge
Whow!
...besser als Goethe! *zugabe*
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
loslassen und weiterziehen
Heute haben sie sich wieder von weitem schon angekündigt. näher und näher kamen sie und stiessen ihre tiefen, rauen schreie aus, sendeten ihre signale in die reihe, damit sie nicht reiße und keine lücke klaffen möge, niemand die orientierung verliere, den anschluss verpasse und verloren gehe.

bald sah ich sie. klein erst am himmel, und nur wenig später die gesamte gefiederte formation wie eine fliegende perlenkette, wie eine gleitende bastion über mich hinweg ziehen, getaktet durch die flieger an der spitze des pfeils. ihre schwingen hoben und senkten sich in einem stetigen, kraftvollen rhythmus, sie wirkten leicht und schwerelos - obwohl das stetige durchpflügen der luft ihnen irgendwann alle kräfte abverlangen wird, kurz bevor sie dort sind, in afrika - ...... in afrika!!-

jedes jahr lösen sie sich wieder von ihren quartieren, folgen einem unhörbaren ruf und machen sich auf die reise.

jedesmal finde ich diesen anblick wieder herzzerreissend. mit zugeschnürter kehle sah ich ihnen zu und wenig später schon nach; und als die tapferen immer kleiner wurden brach ein schwall von gefühlen aus mir heraus: ich hatte sehnsucht, ich war traurig, ich weinte, ich wünschte mir, auch so frei und leicht auf dem wind liegen zu dürfen wie sie, rief ihnen nach, winkte ihnen zum abschied für dieses jahr und sandte meine wünsche für ihren glücklichen flug und ihre heile wiederkehr in die weite des universums.


und ich hatte den traum, wie es sein könnte, mich so lösen zu können, mit diesem mut und dieser zuversicht gesegnet zu sein. genau das würde ich mir wünschen, wenn ich glaube, etwas nicht erreichen zu können: abzulegen, was hinderlich ist, und nur mich selbst mitnehmen zu müssen, egal wie weit das ziel erscheint.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Ich sehe auch immer hinauf, wenn ich sie höre. Ich sehe hingegen auch immer hinauf, wenn ein Flieger vorüberzieht, und das geschieht in der Ausflugschneise der Startbahn West ständig. Die immerwiederkehrende Faszination ist immer die gleiche. Es ist die Faszination, die die Natur und die Kultur auf mich ausübt und der ich bereitwillig erliege.

Für mich besteht das Loslassen beim Nachschauen der Zugvögelschwärme nicht im akuten Erlebnis der Sehnsucht nach Freiheit, denn ebendiese Sehnsucht bedeutet für mich das Gegenteil; das Festhalten an etwas, das mir unmöglich ist. Dieses Festhalten ist eine Fußkette, mit dessen Klirren ich es mir unmöglich mache, das mir Mögliche zu hören oder das Gefesseltsein der Vögel zu erkennen. Sie müssen dorthin, wohin sie immer müssen. Ich muss das nicht, denn ich bin frei.

Für mich besteht also das Loslassen beim Betrachten der Formationen irgendwelcher den Dinosauriern nahestehenden Lebensformen in der Freiheit, das, was ich gerade tue, zu unterbrechen und ein paar Augenblicke bei mir und meinen freien Gedanken zu sein.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Komisch, ich muss dabei immer an Nils Holgerson und seine Gans Martin denken.

Am St Martinstag, der bald dräut, veranstaltet der Kindergarten üblicherweise den Laternenumzug, an dem ich dieses Jahr wohl nicht teilnehmen werde. schnief *schnief*

Um der Wut darüber ein Ventil zu geben, werde ich also dieses Jahr eine blöde Gans zubereiten. Beim Bauern vor Ort gibt es noch welche mit Hals zum abhacken. Außerdem sadistisch mit dem Küchenmesser die Innereien ausweiden, allerlei Obst und scharfe Gewürze in den Arsch stecken, und dann natürlich Bondage extra nach Seemansknotenart. Auch Bratschläuche entbehren nicht einer gewissen Erotik und zum Schluss vier Stunden bei 180 Grad zum Schwitzen bringen und Fett ablassen.

Dank an Mazita für die Anregung.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
wie appetitlich …
abzulegen, was hinderlich ist, und nur mich selbst mitnehmen zu müssen,

und ich denke immer nach, über den satz, und denke: aber die müssen sich doch auch -nur sich selbst - mitnehmen.
wenn ich den schwärmern am himmel nachsehe, empfinde ich reiselust. jah, als ob ich in einer adretten formation, so, choreographiert mit meinesgleichen, nach acapulco zum karneval führe. sie schreien oft so ermutigend, so bejahend, auch abschiednehmend, aber nie trist.
erst im nachhinein dachte ich auch: aber sie müssen. sie entscheiden das nicht selbst.
ob die dann neurosen bekommen, weil sie eigentlich garnichtwollen, oder bleibt ihnen diese einsicht erspart? tickert das programm zuverlässig laut, um nachfragen zu übertönen?



in den märchen meiner kindheit waren tiere allgegenwärtig. sie waren verbündete, hüter, wächter, gesellschafter - seelenanteile.
fliegende tiere waren fähren, lebende, weise boote. die idee, auf einer schneegans reitend über den himmel zu reisen, fand ich köstlich, bissl dekadent, aber anregend. (nain, jin, bitte, nicht!)

in der Freiheit, das, was ich gerade tue, zu unterbrechen und ein paar Augenblicke bei mir und meinen freien Gedanken zu sein.



ja, das ist die umwälzende evolutionäre geste: innehalten und
abschweifen. wenn das programm stockt, und das reparaturteam sich verspätet: cross over, der rutsch aus dem mainstream heraus, die chance der paralogie.
wenn wir innehalten, mitten in unserem programm, und hochsehen, wiederholen wir einen erprobten evolutionären akt.
mir gefällt der gedanke.
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@ jin....
du barbar.

warum nennst du eine gans dumm, nur weil du sie essen willst?
**yx Mann
1.256 Beiträge
Nein. Er kann nur denken.
Mehr nicht.

Aber er behält trotzdem alle Menschenrechte...
**yx Mann
1.256 Beiträge
...und dauernd stehen uns die Idiotes im Weg, wenn wir abheben zum Fliegen...
**yx Mann
1.256 Beiträge
...vielleicht, damit wir nicht abheben?
Beim Loslassen denke ich immer an Illusionen. Vor ein paar Jahren las ich ein Buch, wo stand das es die Hölle gar nicht gibt sondern die Hölle ist eine Illusion. Daraus enstand bei mir der Gedanke, das die Hölle eine Illusion ist - die Illusion, die fortwährende Abwesenheit von Realität.

Vor ein paar Monaten gab es irgendwo einen Beitrag hier der mich zu Volker Pispers brachte. Dieser erzählte eine Geschichte: Ein Löwe jagt eine Antilope, isst sie zur Hälfte auf und haut sich in die Sonne und sagt: Boah, war das lecker. Dann kommt (für mich) die Illusion dazu. Der Löwe studiert BWL und denkt: wenn ich mich heute noch ranhalte dann kann ich noch 3 Antilopen mehr erlegen und morgen frei machen (Motivation). Doch das kann er nicht, denn am darauffolgenden Tag muss er nochmal 4 Antilopen erlegen um sich den Kühlschrank zu kaufen, den Tag darauf nochmal 4 Antilopen für den Strom, danach fürs Haus und danach für dessen Bewachung. Die Motivation frei zu haben stellte sich als Hamsterrad zur Unfreiheit heraus. Mein Kollege sagte manchmal: Nur 2 Tage im Monat arbeite ich für mich, die Anderen Tage nur für Andere (Steuern, Gebühren, Miete etc.)

Auch wir, so meine ich, unterliegen fortwährend solchen Illusionen. Wir denken, das wir dem Hamsterrad entkommen wenn wir die Flucht nach vorne anbtreten. Wir arbeiten mehr, damit wir es irgendwann -im Alter- gut haben. Wir arbeiten mehr, damit wir schönere Freizeit haben und vergessen dabei das wir dann keine Freizeit mehr haben. Schaue ich die Menschheitsgeschichte an frage ich mich oft ob wir wirklich in unserer Entwicklung fortgeschritten sind, bzw. ob wir wirklich durch unsere Entwicklung etwas sinnvolles erreicht haben. Wenn wir beide Leben führen könnten, ein 100 Jähriges eines westeuropäischen Menschen und ein 35jähriges eines Steinzeitmenschen - möglicherweise würden wir uns für das 35 Jährige Leben eines Steinzeitmenschen entscheiden. Möglicherweise würden wir dann mit 35 Jahren lebenssatt nach einem erfüllten Leben im Vollbesitz unserer Kräfte die Augen schließen und merken, das wir dafür keine 100 Jahre brauchen. Nicht die 100 Jahre, wo wir 70 Jahre nur mit dem Hamsterrad beschäftigt sind und dann 5 Jahre unser Leben genießen bevor wir unsere "erkaufte Freizeit" im Wert von 25 Jahren degenerierend dahinvegitieren. Vielleicht merken wir das wir das, was einmal sein könnte (unsere Visionen und Ilusionen), zu oft mit dem bezahlen was gerade ist (der postiven Erfahrung von Gegenwart).

Loslassen würde dann bedeuten, Illusionen loszulassen. Die Illusion, das in einem Hamsterrad die Flucht nach vorne für alle möglich ist wenn sie sich doch nur anstrengen. Die Illusion, das "mehr" besser ist, obwohl die Konsequenz dieses Wollen nur das "Jetzt" auf später verschiebt. Wir sind so illusioniert, das es scheinbar unmöglich ist aus dem Hamsterrad herauszutreten - aus der Fahrrinne des eigenen Denkens zu entkommen. Und wir haben Hamsterräder erschaffen aus dem es kein Entkommen geben darf (Ideologien). Marktwirtschaft z.Bsp. oder dieses unverbrüchliche Vertrauen in Geld, obwohl es nur daher seinen Wert bezieht das wir daran glauben das Geld seinen Wert hat. Auch das ist ja eigentlich eine Illusion. Ein Entkommen scheint unmöglich, bzw. wird konsequent sanktioniert. Nur wer im Hamsterrad bleibt geht straffrei aus. Wir dürfen heute nicht einfach das Leben eines Steinzeitmenschen führen, damit kann die Bürokratie nicht umgehen. Denn was ist besser dazu geeignet die Leute bei der Stange zu halten als Bürokratie - die permanente Versicherung gegenüber der Gesellschaft das man noch an deren Ziel glaubt.

Loslassen bedeut für mich Illusionen loszulassen. Aus dem Hamsterrad auszusteigen und der Hölle zu entkommen. Die Hölle ist zuoft die Konsequenz unseres für alternativlos gehaltenen Wollens. Jede noch so gut gemeinte Ideologie pervertiert sich zu Höllenqualen, nimmt das Hamsterrad erstmal durch unser "Wollen nach mehr" Fahrt auf.
Loslassen bedeutet für mich: Dem Erfolg zu entsagen.
Dadurch erhalte ich die einzigartige Chance auf ein gelingendes und erfülltes Leben.
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