Die Welt ist nicht Instergram
Es gibt nicht nur die „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt), sondern auch zweifellos die Banalität des Banalen - und zwar so sehr, dass diese Banalität uns nicht mehr sonderlich auffällt. Natürlich sind solche Sätze, die auch noch verallgemeinernd von „wir“ sprechen, böse. Natürlich wird der ein oder andere gleich einwenden, dass dies auch schon wieder banal ist, dass Banale tautologisch banal zu nennen. Wie jener Satz, dass eine Rose eine Rose ist, eine Rose, eine Rose und nicht anderes als eine Rose.Unter solchen Voraussetzungen ist die Welt banal, die Menschen, Raum und Zeit und sicherlich auch Instergram. Und setze ich mir Bilder von Mittagstischen an, die zu tausenden in die Welt gepostet werden, hege ich keinen Zweifel an der Banalität. Was anderes wäre es, zu behaupten, dass dies böse sei. Es sei denn, das Instergram auch Menschen im Sudan erreicht, die sich durch die fotogene Dekandenz ermutigt würden, nach Europa aufzubrechen. So laut kann kein Staatsoberhaupt schreien, wie unsere Welt der schönen Bilder dies zeigen.
Das die Welt nicht banal ist, beschreibt ein junger deutscher Philosoph unserer Tage, indem er schlicht behauptet, dass es die Welt nicht gibt. Markus Gabriels* Philosophie und die anderer namhafter Philosophen nennt er: „Neuen Realismus“ und ist zugleich eine Kampfansage an den Strukturalismus, den Konstruktivismus und den Dekonstruktivismus der vergangenen Jahrzehnte, in der jeder seine eigene Wirklickeit schaffen könnte, wie es ihm gerade beliebte. Und nicht nur das: Er dürfte auch behaupten, was er will - ohne Begründung oder Angaben von Gründen. Fakenews sind die neuen Nachrichten, die auf Tatsachen beruhen, die von jemanden behauptet werden, dem es gleichgültig ist, ob er sie selbst glaubt oder nicht. Es muss nur in die Welt hinausgetickert werden. Und seriöse Nachrichten oder Journalisten, die dem widersprechen, werden dann als „Lügenpresse“ abgeschmettert. Auch das isr legitim. So einfach geht das in einer banalen Welt - und dann könnte man auch über das Böse neu nachdenken.
Also: die Welt gibt es nicht. Sondern es gibt eine Vielzahl von Welten, nämlich so, wie wir sie sehen, erleben, erfahren - aber daher müssen wir noch lange nicht annehmen, dass, weil dies alles sehr subjektiv, keine Welt gibt. Selbst eine fiktive Welt wäre eine Welt, neben vielen anderen. Und, jetzt kommt’s, nach Markus Gabriel wäre sie real. Das Matterhorn gibt es - objektiv. Daran besteht kein Zweifel, auch, wenn jede Bergsteigergruppe das Gebirge subjektiv vielleicht anders sieht, weil jede dieses von verschieden Seiten besteigt. Die Subjektivität stellt das Objektive der Realität nicht deshalb in Frage, weil es subjektiv ist. Was brächte es auch, dies anzuzweifeln. Das Subjektive ist wirklich und das Objektive ist wirklich und sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Gabriel und die neuen Realisten unterscheiden wohl noch zwischen Subjekt und Objekt, werten aber die Realität noch einmal ganz neu, und beziehen gleich die Fiktion mit ein. Auch die Fiktion ist eine Realität, die u.U. eine sehr viel größere Wirksamkeit entfalten kann als jede Realität im klassischen ontologischem Sinne. Ein Ja-Wort mag im Rahmen einer romantischen Fiktion der Liebe weniger handfest sein wie ein Brillant, der an den Ringfingern der Braut gesteckt wird, trotzdem hat dieses Ja-Wort eine gesetzliche Wirkkraft, die manchem erst bei der Scheidung aufgehen mag. Und zwar unabhängig von seinem subjektiven Empfinden. Und es würde auch in der Trennungsphase nicht helfen, den Wahrheitsgehalt des Ja-Wortes zu bezweifeln. Allein dieses Ja schaffte neben anderem auch Tatsachen in dem Leben zweier Menschen, auch wenn die Traumhochzeit eher als Fiktion, als märchenhaft bezeichnet wurde. Es war nur ein Märchen. Die Realität ist da ganz anderer Meinung.
Solche Beispiele verwendet Gabriel viele, um seine sogenannte „Sinnfeld-Ontologie“ zu begründen und die ist alles andere als banal. Sie zeigt nämlich auf, wie aus einem Hollywood-Schinken wie „Star Wars“ eine Religion entstehen kann und die Macht mit Dir ist, oder wie ein Wort wie „Freiheit“ in einem bestimmten Sinnfeld eine Macht entfaltet, Monarchien und Despotien zu stürzen. Und Träumen sind in einem bestimmten Sinnfeld genauso real wie andere Realitäten auch und nicht nur Schäume, wenn wir sie wahr werden lassen. „Das ist ja nur ein Traum“ - diese Abwertung zugunsten einer vermeintlichen Realität ist - philosophisch gesehen - nach der Sinnfeld-Ontologie der „Neuen Realität“- nicht nur keine gute Idee oder banal, sondern auch nicht gerade intelligent. Auch nicht als Trost - Spruch besorgter Eltern nach dem Alptraum des Kindes. Dem auf den Grund zu gehen, wäre hingegen nicht nur interessanter, sondern heilender. Und daher sind Welten - auch Traumwelten und die Pluralität subjektiver und objektiver Welten alles andere als banal. Zum Glück! Instergram ist nicht die Welt. Aber es darf daneben auch eine banale Welt geben. Und: wir dürfen sie ignorieren. Andere hingegen zu ignorieren, wäre sträflich.
©Dreamy2017
*Markus Gabriel: Warum es die Welt nicht gibt, Ullstein-Verlag, 272 Seiten.